Missglückte Diätversuche können das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten erheblich belasten und zu einer Beeinträchtigung von Selbstwirksamkeitserwartung und Selbstwert führen. Dies stellt wiederum eine äußerst ungünstige Voraussetzung für einen erneuten Anlauf zur Gewichtsreduktion dar. Dadurch wird ein Teufelskreis in Gang gesetzt, der durch ein reflektiertes Hinterfragen der zugrunde liegenden psychologischen Prozesse und durch Alternativen zu klassischen Diäten unterbunden werden kann.
Was bedeutet Selbstwirksamkeitserwartung?
Die Selbstwirksamkeitserwartung - ein (sperriger 😉) Begriff aus der Psychologie - bezieht sich auf die Überzeugung, in der Lage zu sein, bestimmte Handlungen erfolgreich auszuführen, um gewünschte Ergebnisse zu erzielen. Diese Überzeugung spielt eine entscheidende Rolle in der Motivation, im Umgang mit Herausforderungen und in der Gestaltung von Verhaltensweisen bzw. Verhaltensänderungen. Eine hohe Selbstwirksamkeitserwartung geht oft mit einer höheren Resilienz, einem stärkeren Selbstwertgefühl und einem besseren psychischen Wohlbefinden einher. Umgekehrt kann eine geringe Selbstwirksamkeitserwartung mit Ängsten, Unsicherheiten und Vermeidungsverhalten einhergehen.
Glaubenssätze als Grundlage der Selbstwirksamkeit
Glaubenssätze sind tief verwurzelte Überzeugungen, die wir im Laufe unseres Lebens entwickeln. Sie betreffen Annahmen über uns selbst, über andere und die Art und Weise, wie wir die Welt verstehen. Haben wir positive und unterstützende Glaubenssätze, fördert dies die Selbstwirksamkeitserwartung. Hingegen bewirken negative und einschränkende Glaubenssätze das Gegenteil.
Ein positiver Glaubenssatz ist beispielsweise: "Ich bin in der Lage, Herausforderungen zu meistern und meine Ernährungsziele zu erreichen." Im Gegensatz dazu könnte ein negativer Glaubenssatz lauten: "Ich schaffe es einfach nicht, mein Essverhalten zu verbessern." Diese Überzeugungen werden durch Erfahrungen, Erziehung und soziale Einflüsse geformt und sind meist unbewusst. Sich negative Glaubenssätze bewusst zu machen, ist hilfreich, um sie bezüglich ihres “Wahrheitsgehalts” zu hinterfragen und durch positive Grundannahmen zu ersetzen.
Diäten - Glaubenssätze - Selbstwirksamkeitserwartung
Die Selbstwirksamkeitserwartung im Kontext der Ernährung repräsentiert das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, das Ziel der Verhaltensänderung zu erreichen - z.B. nachhaltig Gewicht abzunehmen oder 3 mal täglich Gemüse zu essen.
Ein gescheiterter Versuch, durch eine Diät langfristig Gewicht zu reduzieren, kann zu einem negativen Glaubenssatz führen - z.B. “Ich bin einfach unfähig - ich schaffe es nicht, abzunehmen.” Bleibt diese Annahme unhinterfragt, wird sie die Selbstwirksamkeitserwartung beim nächsten Versuch der Gewichtsreduktion beeinträchtigen. Daher ist es ratsam, negative Glaubenssätze zu reflektieren und zu hinterfragen. Im Falle enttäuschender Diät-Erfahrungen liegt die Ursache des nicht erreichten Zieles nicht an der Person sondern an der Methode “Diät”, denn Diäten sind ein ungeeigneter Weg, um nachhaltig das gesunde Wohlfühlgewicht zu erlangen und ein gesundes Essverhalten zu etablieren (mehr dazu im Blogbeitrag Auswirkungen von Diäten auf das Essverhalten).
Beeinträchtigung der Selbstwirksamkeitserwartung
Werden gesetzte Ziele nicht erreicht, kann die Selbstwirksamkeitserwartung durch unterschiedliche Faktoren beeinträchtigt werden:
1. Verstärkung negativer Glaubenssätze
Jeder gescheiterte Versuch eines verbesserten Essverhaltens kann zur Verstärkung negativer Glaubenssätze führen. Wie bereits erwähnt, können wiederholte enttäuschende Diät-Erfahrungen negative Überzeugungen festigen - z.B. "Ich habe keine Disziplin". Diese negativen Glaubenssätze können die Selbstwirksamkeit erheblich beeinträchtigen.
2. Schwächung des Selbstwertes
Scheitern kann das Selbstwertgefühl schwächen. Nicht erreichte Ziele können zu Gefühlen der Niederlage und Unzulänglichkeit führen. Ein niedriges Selbstwertgefühl verringert wiederum die Selbstwirksamkeitserwartung durch mangelndes Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten.
3. Vermeidungsverhalten
Nach wiederholten Misserfolgen kann die Tendenz entstehen, sich neuen Versuchen eines verbesserten Essverhaltens zu entziehen. Die Gefahr einer abermaligen Enttäuschung scheint zu groß, daher wird ein nochmaliger Anlauf vermieden. Das Aufschieben gewünschter Veränderungen kann zur Strategie werden, um sich mit dem Thema nicht auseinandersetzen zu müssen.
Diäten - Prokrastination - Essverhalten
Prokrastination - der nächste sperrige Begriff aus der Psychologie 😉 - bezieht sich auf das wiederholte Aufschieben und Hinauszögern von Aufgaben oder Vorhaben, trotz negativer Konsequenzen. Im Ernährungsbereich könnte das beispielsweise die Umsetzung eines besseren Essverhaltens betreffen, obwohl körperliche Gesundheit oder emotionales Wohlbefinden durch ein erhöhtes Körpergewicht beeinträchtigt sind.
Selbstwirksamkeitserwartung spielt eine zentrale Rolle im Kontext der Prokrastination: Menschen mit hoher Selbstwirksamkeitserwartung vertrauen darauf, Aufgaben und Herausforderungen erfolgreich zu bewältigen. Diese Überzeugung beugt Prokrastination vor, denn sie stärkt das Vertrauen in die eigene Handlungsfähigkeit und verringert somit die Wahrscheinlichkeit, Aufgaben aufzuschieben.
Hingegen neigen Menschen mit geringer Selbstwirksamkeitserwartung dazu, Aufgaben als überwältigend oder unlösbar zu empfinden. Folglich tendieren sie dazu, diese Aufgaben zu meiden oder aufzuschieben, um einer befürchteten Frustration zu entgehen. Prokrastination wird somit zu einer Bewältigungsstrategie für das Gefühl der eigenen Unzulänglichkeit.
Missglückte Diät-Versuche können nicht nur mit negativen Glaubenssätzen und einer geringen Selbstwirksamkeitserwartung einhergehen, sondern auch mit Prokrastination. Ein neuer Anlauf, um das Wohlfühlgewicht zu erreichen oder die Ernährung zu verbessern, wird aufgrund von Versagensängsten gescheut. Bisherige Fehlversuche werden fälschlicherweise auf mangelnde Fähigkeiten zurückgeführt und nicht auf die ungeeignete Methode “Diät”.
Stärkung der Selbstwirksamkeit
Um den genannten negativen Einflüssen auf die Selbstwirksamkeit entgegenzuwirken, lassen sich in einem ersten Schritt folgende Strategien zusammenfassen.
1. Scheitern als Informationsquelle
Hilfreich ist die Betrachtung nicht erreichter Ziele aus einer anderen Perspektive. Scheitern ist Teil eines Lernprozesses und liefert wichtige Informationen für einen neuen Anlauf der Verhaltensänderung. Missglückte Versuche, das Essverhalten zu ändern, sind menschlich und bieten Gelegenheit, daraus wertvolle und hilfreiche Erkenntnisse zu schöpfen, was bei einem erneuten Versuch anders gemacht werden könnte. So kann beispielsweise die Methode “Diät” hinterfragt und ein neuer Weg Richtung Wohlfühlgewicht versucht werden. Anstatt sich selbst zu tadeln, ist es unterstützend, eine wohlwollende Haltung sich selbst gegenüber zu entwickeln. Selbstvorwürfe helfen hier nicht weiter. Sie sind der Selbstwirksamkeit bestimmt nicht dienlich und lösen belastende Emotionen aus, die im ungünstigsten Fall mit Essen bekämpft werden. Der nächste Teufelskreis ist damit in Gang gesetzt.
2. Setzen realistischer Ziele
Anstelle von zu hoch gesteckten Zielen ist es ratsam, realistische und erreichbare Ziele anzustreben. Große Pläne können überwältigend wirken und dadurch zur Prokrastination beitragen. Durch Unterteilung in kleinere, einzelne Teilziele wird ein Veränderungsprozess überschaubarer und kontrollierbarer. Dies ermöglicht Erfolgserlebnisse, die die Selbstwirksamkeit und die Stabilisierung positiver Glaubenssätze stärken. Erreichte Ziele fördern das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten.
3. Konkrete Planung
Klare Pläne und Prioritäten für die Umsetzung eines besseren Essverhaltens helfen, sich im Alltag in Richtung des Zieles zu orientieren. Bei der Planung zur praktischen Umsetzung sollten jene Aspekte berücksichtigt werden, die bei früheren Versuchen zum Scheitern beigetragen haben.
4. Entwicklung langfristiger Verhaltensänderungen
Ist das Ziel eine bessere Ernährung oder Gewichtsreduktion, sollte der Fokus nicht auf kurzfristigen Diäten mit raschem Gewichtsverlust liegen, sondern auf der Entwicklung langfristiger guter Gewohnheiten. Die schrittweise Integration von nachhaltigen Veränderungen in den Alltag erhöht die Erfolgsaussichten.
5. Achtsamkeit
Achtsamkeit und die Entwicklung einer wohlwollenden Haltung sich selbst gegenüber können dazu beitragen, den Umgang mit Rückschlägen zu verbessern und die Selbstwirksamkeit zu stärken. Rückschläge können als vorübergehendes Abkommen vom neuen Weg betrachtet werden - als Ausrutscher, bevor die Spur des neuen Weges wieder aufgenommen wird und nicht als Stoppschild oder Umkehrpunkt. Achtsamkeit und Besinnung auf das Hier und Jetzt helfen dabei, die Spur zeitnah wieder aufzunehmen und sich nicht zu verirren und in der Prokrastination zu verlieren.
6. Soziale Unterstützung
Der Austausch mit Freund*innen, Familie oder Gleichgesinnten kann motivierend wirken. Gemeinsame Ziele und die gegenseitige Unterstützung können Prokrastination vorbeugen. Zudem kann die Sichtweise einer nahestehenden Person eine andere Perspektive auf das eigene Verhalten und die eigenen Fähigkeiten fördern. Das hilft, um den Blickwinkel in Richtung wohlwollende Haltung sich selbst gegenüber wieder zurechtzurücken, denn für gewöhnlich sind wir mit uns selbst meist strenger als mit einer guten Freundin oder einem guten Freund.
7. Professionelle Begleitung
Die integrative Ernährung als Alternative zu Diäten bietet nicht nur Informationen zu einer verbesserten Ernährung, sondern geht auch auf psychologische Faktoren des Essverhaltens ein. Sie unterstützt dabei, individuelle Auslöser für unliebsame Ernährungsgewohnheiten zu finden und neue Wege in Richtung gewünschte Verhaltensänderung festzulegen. Dadurch werden die eigenen Handlungsspielräume schrittweise erweitert, was durch Stärkung der Selbstwirksamkeit zu einem genussvollen Essverhalten und Erreichung des gesunden Wohlfühlgewichts führt.
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