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  • Simone Ebner

Auswirkungen von Diäten auf das Essverhalten

Diäten sind nach wie vor ein häufig beschrittener Weg zur Gewichtsreduktion. Viele Menschen versuchen, durch mehr oder weniger radikale Ernährungseinschränkungen ein vermeintlich gesünderes Leben zu führen, ihr Gewicht zu kontrollieren oder zu reduzieren. Diäten gehen meist mit strengen Verboten bestimmter Lebensmittel oder Nahrungsmittelgruppen einher, was kurzfristig zu Gewichtsverringerung führen kann, langfristig jedoch problematisches Essverhalten fördert und der körperlichen wie psychischen Gesundheit schadet.


Was bedeutet “Diät”?

Der Begriff “Diät” stammt aus dem Altgriechischen und bedeutet ursprünglich “Lebensführung“ oder „Lebensweise“. In der heutigen Verwendung bezieht sich dieser Ausdruck auf bestimmte Ernährungsweisen und Kostformen, die zum einen auf eine Gewichtsreduktion oder -zunahme (z.B. bei Untergewicht) abzielen, zum anderen die Prävention oder Behandlung von Krankheiten unterstützen sollen (z.B. Diabetes, Allergien oder Intoleranzen).

Im Alltagsgebrauch bezeichnet “Diät” meist eine Reduktionskost zur Gewichtsabnahme. In diesem Fall geht es um eine kurzfristige Veränderung der Ernährungsform zur Verringerung des Körpergewichts. Die Reduktion der Ernährung kann sich auf unterschiedliche Nährstoffe beziehen (z.B. Kohlenhydrate oder Fett), auf einzelne Lebensmittel oder ganz allgemein auf eine reduzierte Energieaufnahme durch die täglichen Mahlzeiten. Diese Reduktionen und Einschränkungen in der Nahrungsmittelauswahl gleichen im subjektiven Empfinden einem Verbot. 


ein leerer Teller, der auf Einschränkungen durch Diäten hinweist

Eingeschränkte Handlungsfreiheit durch Diäten

Verbote bestimmter Lebensmittel erzeugen Gefühle der Einschränkung und verstärken in weiterer Folge das Verlangen nach genau diesen unerlaubten Lebensmitteln. Diese Reaktion lässt sich durch das psychologische Phänomen der Reaktanz erklären. Reaktanz resultiert aus wahrgenommener Einschränkung der Handlungsfreiheit, der persönlichen Autonomie und Selbstbestimmtheit (eines unserer wichtigsten Grundbedürfnisse). Die Einengung führt zu einer Diskrepanz zwischen dem Wunsch nach Selbstbestimmtheit auf der einen Seite und dem empfundenen Handlungsspielraum auf der anderen Seite. Aus diesem Spannungsfeld resultiert ein Verhalten als "Gegenreaktion", das genau jene Handlung umfasst, die verboten wurde (z.B. das Essen von Schokolade während einer Diät). Dem zuvor ungestillten Bedürfnis nach Autonomie wird dadurch wieder nachgegangen. Der Preis, der dafür bezahlt wird, ist nicht selten das Empfinden von Schuld- und Versagensgefühlen oder schlechtem Gewissen.


Auswirkungen von Reaktanz auf das Essverhalten

Reaktanz lässt das Verlangen nach verbotenen Lebensmitteln ansteigen. Sie gewinnen zunehmend an Wertigkeit und Attraktivität. Das Bedürfnis nach ihnen kann so sehr steigen, dass das Widerstehen schließlich unmöglich wird. Heißhungerattacken und Kontrollverlust im Essverhalten können folgen, denn Reaktanz fördert enthemmtes Essverhalten. Werden Verbote gebrochen oder Regeln missachtet, kommt der klassische “jetzt ist’s eh schon egal”-Gedanke. Im Zuge einer Diät wird dann beispielsweise nicht nur eine Rippe der “verbotenen Schokolade” für einen bewussten Genussmoment verspeist, sondern gleich die gesamte Tafel, was weniger mit Genuss, sondern vermutlich viel mehr mit einem unangenehmen Völlegefühl und schlechtem Gewissen einhergeht. Das führt uns auch zu einem weiteren Aspekt, den Diäten mit sich bringen können . . . belastende Emotionen wie zum Beispiel Schuldgefühle . . .


Unangenehme Emotionen

Die durch Diäten auferlegten Verbote können belastende Emotionen hervorrufen: Zum einen durch den Verzicht auf positiv bewertete Nahrungsmittel - die Entbehrung der geliebten Schokolade macht schlechte Laune. Wieder ist hier ein wichtiges Grundbedürfnis verletzt und zwar das Streben nach “Lustgewinn” und das Vermeiden von “Unlust” (Verzicht=Unlust, Schokolade=Lustgewinn). Zum anderen resultiert aus Regelverstößen “selbstbestrafendes” Verhalten - nach dem Verzehr der verbotenen Schokolade führen Schuld- und Versagensgefühlen zu negativen Konsequenzen (wie z.B. Streichung des Abendessens, Einlegen eines Fastentages). Langfristig gestaltet sich dadurch eine ungesunde Beziehung zum Essen. Das emotionale Befinden ist geprägt von der Nahrungsaufnahme: Wird verbotenen Lebensmitteln erfolgreich widerstanden, ist die Stimmung (kurzfristig) gut. Gelingt es nicht, der Versuchung standzuhalten, sinkt die Stimmung in den Keller. 


Restriktive Denkmuster

Diäten mit strengen Verboten fördern restriktives Denken über Lebensmittel und das eigene Ernährungsverhalten. Lebensmittel werden in "gut" und "schlecht" eingeteilt und es entsteht eine rigide Vorstellung davon, wie die "richtige" Ernährung und das “richtige” Ernährungsverhalten für eine Gewichtsreduktion auszusehen haben. Unser Denken hat unter anderem Einfluss auf unser Verhalten. Die Flexibilität im Ernährungsverhalten kann durch Diäten stark eingeschränkt werden - entweder wird den Diät-Regeln perfektionistisch zu 100 % gefolgt oder das Verhalten kehrt sich ins Gegenteil, im Sinne des Nachholbedarfs (Reaktanz). Enthemmtes Überessen ist das Ergebnis anstatt einer flexiblen, Situations-angepassten Impulskontrolle des Ernährungsverhaltens. Die Lebensmittel-Kategorisierung in Form von schwarz-weiß-Denken und die Verhaltensausprägung in Form extremer Gegenpole schränken die Möglichkeit der Ernährungsvielfalt ein, fördern übermäßige Kontrollbedürfnisse und nehmen den Genuss am Essen. Zudem kann daraus eine sehr eingeschränkte und unausgewogene Form der Ernährung resultieren, da die Nahrungsaufnahme auf bestimmte “erlaubte” Lebensmittel beschränkt ist, wodurch möglicherweise wichtige Nährstoffe verloren gehen.


Langfristige Auswirkungen von Diäten auf das Essverhalten

Verbote durch Diäten können das Essverhalten nachhaltig beeinträchtigen. Auf Phasen des Verzichtens und Widerstehens folgen unweigerlich Phasen des Nachgebens und der Enthemmung. Langfristig entwickelt sich dadurch eine ungesunde und instabile Beziehung zur Nahrungsaufnahme, was die Lebensqualität beeinträchtigt und zu hohem Leidensdruck führen kann. Ungesundes Essverhalten wie z.B. Essanfälle oder emotionsregulierendes Essen können die Folge sein. Diese Verhaltensmuster belasten körperliche und psychische Gesundheit.


Integrative Ernährung als Alternative zu Diäten

Strenge Verbote durch Diäten beeinträchtigen aus psychologischer Sicht das gesunde Essverhalten und begünstigen die Entwicklung von Heißhunger, Essdrang, belastenden Emotionen sowie restriktiven Denkmustern. Dies geht mit einem gestörten Verhältnis zur Nahrungsaufnahme und negativen Auswirkungen auf Gesundheit und Wohlbefinden einher. Eine positive Einstellung zum Essen, ein bewusster Umgang mit Bedürfnissen und Genussfähigkeit sind grundlegend für eine gute Lebensqualität.

Beim Wunsch, sich besser zu ernähren oder das Wohlfühlgewicht zu erreichen, sollte der Weg nicht über Verbote und eine rasche, kurzfristige Gewichtsreduktion führen, sondern über eine allmähliche, dauerhafte “Ernährungs-Verbesserung”, die ausreichend auf Genuss und Selbstfürsorge achtet, eine ausgewogene Nährstoffversorgung sicherstellt und den Körper wieder ins Gleichgewicht bringt, denn unser Körper wehrt sich gegen Verzicht und Mangelversorgung. Er holt sich über Heißhunger und gesteigerten Appetit zurück, was ihm im Zuge einer Diät verwehrt wird. Mein ganzheitlicher Ansatz der integrativen Ernährung berücksichtigt sowohl physiologische als auch psychologische Faktoren, um dieses Gleichgewicht wiederherzustellen und dadurch den Weg zum gesunden Wohlfühlgewicht zu ebnen.

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