Emotionales Essen – ein mittlerweile sehr bekannter Begriff für eine Form des Essverhaltens, die nicht auf körperlichem Hunger beruht. Viele Menschen kennen Situationen, in denen bestimmte Emotionen ein starkes Verlangen nach Schokolade, Chips oder anderen Lieblingssnacks auslösen. Essen als Emotionsregulation. Wird dies zu einer dominierenden Strategie, um mit unangenehmen Emotionen umzugehen, kann emotionales Essen zu einer großen Belastung werden. Welche Wirkung Essen hat, warum ein konstruktiver Umgang mit Emotionen wichtig ist, welche langfristigen Konsequenzen emotionales Essen mit sich bringt und wie erste Schritte Richtung Veränderung aussehen können, erfährst du in diesem Blogbeitrag.
Was ist emotionales Essen?
Beim emotionalen Essen werden Nahrungsmittel als Reaktion auf Gefühle konsumiert und nicht aufgrund des physischen Hungers. Dieses Essverhalten dient also nicht dazu, einen physiologischen Mangel an Energie auszugleichen, sondern dazu, emotionale Zustände zu regulieren. Oft handelt es sich um unangenehme Emotionen wie zum Beispiel Traurigkeit, Ärger oder Langeweile, doch auch angenehme Emotionen wie Freude oder Aufregung können emotionales Essen auslösen (z.B. Essen in Gesellschaft, Essen bei Familien-Feiern). Das Essverhalten wird so zu einer unmittelbaren Antwort auf bestimmte Emotionen - dadurch werden schwierige Emotionen kurzfristig erträglicher, langfristig gesehen, ergeben sich aus diesem Verhalten jedoch unterschiedliche Belastungen, vor allem dann, wenn Essen zu einer dominierenden Strategie wird, um mit herausfordernden Emotionen umzugehen.
Vor allem Ärger, Langeweile oder Traurigkeit sind klassische Empfindungen, die emotionales Essen auslösen können. Nach Anlässen des Ärgers dient Essen der Beruhigung (z.B. Nach einer Diskussion mit dem Chef wird abends eine Tüte Chips vernascht, um die Anspannung abzubauen.). Essen kann auch Trost vermitteln oder Einsamkeit lindern (z.B. Nach einer Trennung schenkt Schokolade kurzfristig ein wohliges Gefühl.) Wenn der Tag leer erscheint, kann Essen Abwechslung und ein Gefühl von Befriedigung geben (z.B. Am freien Sonntag wird pausenlos gesnackt, obwohl kein körperlicher Hunger spürbar ist.).

Unangenehme Emotionen und "Abhilfe" durch Essen
Schwierige Emotionen wie Angst, Ärger oder Trauer aktivieren den Sympathikus des autonomen Nervensystems. Dies führt zu physiologischen Veränderungen, die allesamt eine erhöhte Handlungsbereitschaft sicher stellen sollen - z.B. Erhöhung der Herzfrequenz, Ausschüttung von Stresshormonen wie Adrenalin und Cortisol, reduzierte Durchblutung des Verdauungstraktes, verstärkte Wachsamkeit, Anspannung der Muskulatur, usw. Diese körperlichen Reaktionen können zu einem unangenehmen Empfinden führen, das wiederum die schwierigen Emotionen verschärfen kann - ein Teufelskreis. Warum hilft nun in diesem Fall Essen? Essen wirkt auf körperlicher und auf psychischer Ebene, um unangenehme Emotionen zu besänftigen: Nahrungsmittel (insbesondere süße und fette Lebensmittel) können das Belohnungszentrum im Gehirn aktivieren, wodurch Botenstoffe freigesetzt werden, die ein Gefühl von Wohlbefinden erzeugen. Zudem können Mahlzeiten beruhigend und entspannend wirken, wodurch Stressreaktionen reduziert werden. Essen kann von belastenden Emotionen ablenken, indem der Fokus auf der Nahrungsaufnahme und nicht auf der Wahrnehmung schwieriger Emotionen liegt. Außerdem haben viele Menschen positive emotionale Assoziationen mit bestimmten Lebensmitteln (z.B. Trostessen), sodass der Verzehr einer bestimmten Speise automatisch angenehme Emotionen auslöst.
Verhaltensgewohnheit emotionales Essen
Ein Verhalten wird zur Gewohnheit, indem es immer und immer wieder ausgeführt wird. Je öfter ein Verhalten wiederholt wird, desto eher etabliert sich daraus eine Gewohnheit, ein automatisiertes Verhalten. Der Grund, warum ein Verhalten immer und immer wieder ausgeführt wird, ist die positive Konsequenz dieses Verhaltens. Jedes Mal, wenn z.B. bei Ärger zum Essen gegriffen und dadurch Erleichterung wahrgenommen wird, festigt sich im Gehirn zunehmend die Verbindung zwischen Auslöser (Ärger) und Reaktion (Essen). Das Belohnungssystem wird aktiviert und die neuronalen Verknüpfungen werden gestärkt. Im Laufe der Zeit wird Essen zur automatischen Reaktion auf unangenehme Emotionen. Der erste Schritt, diese Gewohnheiten zu durchbrechen, ist die bewusste Wahrnehmung dieses automatisierten Vorgangs. Schritt für Schritt können belastende Gewohnheiten mit Geduld und Verständnis für sich selbst verändert werden.
Konstruktiver vs. destruktiver Umgang mit Emotionen
Emotionen weisen darauf hin, ob wichtige Bedürfnisse erfüllt sind oder nicht. Demnach sind schwierige Emotionen - auch wenn sie sich unangenehm anfühlen - äußerst nützlich, denn sie machen auf unerfüllte Bedürfnisse aufmerksam. Ein konstruktiver Umgang mit Emotionen umfasst das Wahrnehmen, das Benennen und das Akzeptieren von angenehmen sowie unangenehmen Emotionen, das Erkennen dahinterliegender Bedürfnisse und die Erfüllung derselben. Dadurch findet eine Regulation von Emotionen statt.
Ein destruktiver Umgang hingegen zeichnet sich durch Verdrängung von Emotionen oder schädliche Verhaltensweisen aus, wie z.B. Alkohol- / Drogenkonsum oder ein belastendes Essverhalten - die zugrundeliegenden Bedürfnisse bleiben auf diesem Wege unerfüllt. Zum Beispiel könnte Traurigkeit auf das Bedürfnis nach Bindung hinweisen oder Ärger auf das Bedürfnis nach Gerechtigkeit. Werden diese Emotionen übergangen oder mit Essen besänftigt, bleiben die zugrunde liegenden Bedürfnisse unberücksichtigt, wodurch sich kein emotionales Gleichgewicht einstellen kann.
Ein konstruktiver Umgang hilft dabei, Bedürfnisse zu erkennen und Wege zu finden, sie zu erfüllen. Dieser Prozess fördert emotionales Wohlbefinden und eine gesunde Beziehung zum Essen.
Belastungen durch emotionales Essen
Emotionales Essen kann auf verschiedenen Ebenen belastend sein – körperlich, emotional und sozial. Was zunächst wie eine Lösung für unangenehme Gefühle erscheint, bringt oft langfristige Herausforderungen mit sich:
Emotionales Essen führt häufig zu einem erhöhten Konsum von energiereichen Lebensmitteln, was langfristig eine Gewichtszunahme und Mehrgewicht begünstigen kann. Möglicherweise entstehen dadurch chronische Erkrankungen. Zudem kann Überessen mit unangenehmen Völlegefühlen, Magen- oder Verdauungsbeschwerden einhergehen.
Auf emotionaler Ebene sind häufig Schuld- oder Schamgefühle die Folge, die die zugrundeliegende Problematik noch verschärfen. Das Gefühl, keine Kontrolle über das eigene Verhalten zu haben, kann das Selbstwertgefühl mindern, indem das Erleben von Selbstwirksamkeit und Selbstbestimmung beeinträchtigt ist.
Die sozialen Folgen von emotionalem Essen können sich in Isolation und Rückzug äußern. Menschen, die sich für ihr Essverhalten schämen, ziehen sich möglicherweise von Freunden und Familie zurück - beispielsweise werden vereinbarte Treffen zum gemeinsamen Abendessen mit Freunden abgesagt, um vorangegangenes Überessen zu kompensieren. Kritische Kommentare zum Essverhalten können Spannungen in sozialen Beziehungen verursachen sowie Schuld- und Schamgefühle verstärken.

Möglichkeiten der Emotionsregulation
Gefühle benennen
Mach dir bewusst, was du fühlst. Um welche Emotion handelt es sich? Schreibe deine Gedanken auf oder sprich mit einer Vertrauensperson darüber. Das Benennen deiner Emotionen hilft dir dabei, ein Verständnis für dich selbst zu entwickeln und ist die Grundlage für weitere Schritte der Emotionsregulation.
Bedürfnisse erkennen
Frage dich: Welches unmittelbar unerfüllte Bedürfnis steckt hinter dieser Emotion und wie kannst du es erfüllen? Vielleicht ist es Ruhe, Gesellschaft oder Unterstützung. Vielleicht geht es aber auch um Bedürfnisse wie Selbstbestimmung oder Wertschätzung.
Atemübungen
Bewusstes Atmen kann helfen, Anspannung aufgrund schwieriger Emotionen abzubauen. Es gibt zahlreiche Atemübungen - nicht jede Übung fühlt sich für jede Person stimmig an. Versuche herauszufinden, welche Atemübung du als angenehm empfindest. Wichtig ist immer, länger auszuatmen als einzuatmen (dadurch wird der Parasympathikus - der Gegenspieler zum Sympathikus - aktiviert). Eine mögliche Methode ist z.B. die 4-7-8-Atemtechnik: 4 Sekunden einatmen, 7 Sekunden halten, 8 Sekunden ausatmen.
Bewegung
Körperliche Bewegung, die Freude macht (z.B. Spazierengehen) kann ebenfalls dabei helfen, Anspannung abzubauen. Dabei soll es keinesfalls um Höchstleistungen gehen, sondern um eine angenehme und freudvolle Form der Bewegung.
Kreativität ausleben
Für manche Menschen sind kreative Aktivitäten (z.B. Malen, Schreiben, Musizieren, Handarbeiten, usw.) ein geeigneter Weg, um ein emotionales Gleichgewicht zu finden oder Emotionen auszudrücken.
Den Automatismus wahrnehmen
Anstatt bei emotionalen Herausforderungen automatisch zum Essen zu greifen, folge diesem Handlungsimpuls nicht, sondern frage dich: Warum möchte ich essen? Triff unter Abwägung der Vor- und Nachteile des emotionalen Essens und unter Berücksichtigung deines Zieles der Verhaltensänderung eine bewusste Entscheidung.
Selbstfürsorge
Mach dich vertraut mit deinen Bedürfnissen. Was brauchst du, damit du ein emotional ausgeglichenes und gesundes Leben führen kannst? Wie kannst du diese Bedürfnisse gut versorgen?
Sich von emotionalem Essen zu lösen kann sehr herausfordernd sein. Scheitern die Versuche der Verhaltensänderung, die auf eigene Faust unternommen werden, kann professionelle Begleitung hilfreich sein.