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  • Simone Ebner

Hunger-Sättigungs-Regulation

Was passiert eigentlich in unserem Körper, wenn wir hungrig oder satt sind? Die Entstehung des Hunger- bzw. Sättigungsgefühls ist ein komplexer Prozess, an dem zahlreiche Mechanismen beteiligt sind. Zwei Systeme arbeiten dabei Hand in Hand und sorgen im Idealfall für Sättigung auf physiologischer und emotionaler Ebene. Leider fehlt uns im Alltag oft die Achtsamkeit, den idealen Sättigungspunkt zeitgerecht wahrzunehmen und unsere Mahlzeiten zu genießen. Mit dem Verständnis für die zugrunde liegende Regulierung unserer Sättigung kann das wieder besser gelingen.


Einfluss auf das Essverhalten

Unsere individuellen Gewohnheiten haben auf die Nahrungsaufnahme einen größeren Einfluss als das physiologische Hungergefühl. Aussehen und Geruch einer Mahlzeit können den Appetit und das Hungergefühl ebenso steigern wie die ständige Verfügbarkeit von Lebensmitteln und das Angebot im Überfluss der heutigen Zeit.

Die Präferenz bestimmter Geschmacksrichtungen ist genetisch determiniert, unabhängig von Alter und Kultur. So führt Bitteres eher zu einer Abneigung. Lebensmittel mit der Geschmacksrichtung “süß” oder “umami” (herzhaft, würzig) werden bevorzugt konsumiert. Die Vorliebe für fette Speisen ist ebenso genetisch verankert. Allerdings wird das Essverhalten im Allgemeinen stärker vom sozialen Umfeld und Erfahrungen aus der Kindheit geprägt als von der genetischen Veranlagung.


eine Abbildung mit dem Wort Hunger

Regelkreise der Sättigung - ein komplexer Prozess

Das Sättigungsgefühl wird durch die Wirkung unterschiedlicher Hormone und durch die Magendehnung aufgrund der aufgenommenen Mahlzeit ausgelöst. Beteiligt sind zwei Systeme, die miteinander verbunden sind: Das homöostatische und das hedonistische System sorgen für physiologische und emotionale Sättigung.


Das hedonistische bzw. Belohnungssystem sorgt durch die Ausschüttung von Dopamin und anderen Botenstoffen für das angenehme Gefühl nach einer sättigenden Mahlzeit. Die Dopaminausschüttung kann nicht nur durch Schmecken, sondern bereits durch das Ansehen und Riechen einer Speise aktiviert werden. Gerüche sind eng an Emotionen gebunden - daher können “Geruchs-Erinnerungen” die Auswahl der Nahrung beeinflussen.

Je mehr Vielfalt eine Mahlzeit bezüglich Geschmack und Konsistenz mit sich bringt, umso größer ist die emotionale Befriedigung durch das Essen. Das kann dazu führen, über den Sättigungspunkt hinaus zu essen.


Geschmacksreize werden im Gehirn verarbeitet. Dort wird die Produktion von Speichel und Magensaft veranlasst. Bis die Sättigungssignale im Gehirn wahrgenommen werden, dauert es etwa 20 bis 30 Minuten. Daher ist es ratsam, langsamer und bewusst zu essen, gut zu kauen und sich nicht durch Handy, Fernsehen, Computer-Arbeiten, usw. ablenken zu lassen, da dies die Wahrnehmung der Sättigungssignale erschwert.


Das homöostatische System verarbeitet die Hormonausschüttung aus dem Gastrointestinaltrakt. In Abhängigkeit von der verzehrten Nahrungsmenge und deren Verweildauer im Magen, werden aus dem Magen Sättigungssignale an das Gehirn weitergeleitet. Fette und ballaststoffreiche Speisen haben eine längere Verweildauer. Je gröber die Struktur eines Lebensmittels, desto länger bleibt dieses im Magen (z.B. rohes Gemüse, Hülsenfrüchte, Vollkornbrot). Zudem verzögern Ballaststoffe die Glukose-Aufnahme ins Blut, wodurch der Blutzuckerspiegel stabil bleibt - das geht mit einer längeren Sättigung einher und beugt Heißhunger vor. Darüber hinaus sorgen Ballaststoffe für die Pflege des gesunden Darm-Mikrobioms, das ebenfalls die Sättigung unterstützt.


Ein Ungleichgewicht des homöostatischen und hedonistischen Systems führt zu einer Beeinträchtigung der Hunger-Sättigungs-Regulation. Dies kann in Zusammenhang mit Erkrankungen wie Adipositas, Diabetes Mellitus, Depressionen sowie Ängsten stehen.


Entstehung von Hunger und Sättigung durch Hormone

Die Aufnahme von Kohlenhydraten führt zur Ausschüttung unterschiedlicher Sättigungshormone. Allen voran das Insulin, eines der wichtigsten Sättigungshormone, denn die sättigende Wirkung setzt bereits während des Kauens und Schluckens ein, da das Insulin die Barriere der Blut-Hirn-Schranke überwinden kann, dadurch direkt ins Gehirn gelangt und unmittelbar wirken kann. Gleiches gilt für Glukose, die durch Bindung an bestimmte Gehirnrezeptoren die Sättigung zeitnah zur Kohlenhydrataufnahme auslösen kann.


Ein gestörter Insulinhaushalt kann das Belohnungssystem beeinträchtigen. So kann eine Insulinresistenz die Wirkung von Dopamin reduzieren - die emotionale Zufriedenheit nach einer Mahlzeit ist somit verringert. In weiterer Folge kann sich ein ungezügeltes Essverhalten entwickeln bzw. die Präferenz sehr energiereicher Speisen ansteigen, um auf diesem Wege die gewünschte emotionale Befriedigung durch das Essen zu erlangen. Dies gefährdet sowohl körperliche als auch psychische Gesundheit.


Das Hormon Leptin aus dem Fettgewebe ist ebenfalls an der Hunger-Sättigungs-Regulation beteiligt. Sind die Fettzellen des Körpers ausreichend gefüllt, geht mit der Nahrungsaufnahme ein Anstieg des Leptin-Spiegels einher - eine langfristige Sättigung stellt sich ein. Sind die Fettzellen des Körpers jedoch leer oder Nahrungspausen zu lang, löst ein niedriger Leptin-Spiegel Hungergefühle aus. Bei mehrgewichtigen Personen kann eine Leptinresistenz zu einer ausbleibenden Sättigungswirkung führen. Untersuchungen zeigen, dass einmalige fettreiche Speisen das Sättigungsgefühl begünstigen, während eine dauerhafte sehr fettreiche Ernährung keinen Einfluss auf die Sättigung zu haben scheint - im Sinne eines Gewöhnungseffektes bleibt bei steigender Energiezufuhr die Sättigung unverändert.


Neben der Vielzahl an Botenstoffen, die das Sättigungsgefühl auslösen, gibt es nur ein Hormon für die Vermittlung von Hunger: Ghrelin - es fördert die Nahrungsaufnahme sowie die Energiespeicherung in den Fettzellen und somit den Anstieg des Körpergewichts.


Tipps für eine angenehme Sättigung

  • täglich ausreichende Ballaststoffaufnahme

  • Kombination aus komplexen Kohlenhydraten und guter Eiweißversorgung bei jeder Mahlzeit

  • täglich hochwertige Fette in angemessener Menge

  • Speisen gut kauen, bewusst und nicht zu schnell essen - genießen!

  • idealerweise keine Ablenkung bei den Mahlzeiten

  • individuell passende Mahlzeiten-Pausen (nicht zu lange, nicht zu kurz)

  • Mahlzeiten schön anrichten - dient der “emotionalen Sättigung” - das Auge isst mit!

  • Jene Lebensmittel essen, die auch schmecken! Mahlzeiten, die gegessen werden, weil sie als gesund gelten, aber nicht schmecken, sind unbefriedigend

Der Ansatz der integrativen Ernährung stellt mit einer alltagstauglichen, individuell bekömmlichen Form der Ernährung eine ausreichende Sättigung sicher - sowohl auf emotionaler als auch auf physiologischer Ebene - und beugt damit Heißhunger vor.



Quelle:

Mehring, A. (2022): Hunger und Sättigung. Steuerung durch Kopf und Bauch, in: UGBforum 5/22, 242-245

Brill, T. (2015): Wie die Fettzufuhr unsere Ernährungsgewohnheiten beeinflusst, in: DLG-Expertenwissen 7/2015

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